Windräder stehen auf einer Ackerfläche

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Stromerzeugung genossenschaftlich organisiert

„Unser Ziel ist es, einen Beitrag zur Energiewende zu leisten“, beschreibt Roland Samer, Vorstandsvorsitzender der BürgerEnergiegenossenschaft Ilshofen eG, die gemeinsame Aufgabe. „Mit der Gründung unserer Genossenschaft wollen wir zum Klimaschutz beitragen und unseren Kindern und Enkeln eine gute Zukunft ermöglichen.“ Damit formuliert er einen der wichtigsten Punkte, warum sich Menschen zu einer Genossenschaft zusammenschließen: Im Gegensatz zum Gewinnmaximierungsprinzip anderer Wirtschaftsunternehmen ist das zentrale Leitmotiv einer Genossenschaft die Nutzenmaximierung für ein gemeinsam gewähltes, übergeordnetes Ziel.

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2025 zum „Jahr der Genossenschaften“ erklärt. UN-Generalsekretär António Guterres betonte: „Genossenschaften sind die Lösung für viele globale Herausforderungen unserer Zeit. Sie tragen entscheidend dazu bei, die nachhaltigen Entwicklungsziele der Weltgemeinschaft zu erreichen. Sie fördern regionales Unternehmertum, ermöglichen den Zugang zu Märkten und bekämpfen weltweit Armut und soziale Ausgrenzung. Genossenschaften gestalten eine bessere Welt.“

Im Jahr 2014 wurde bei Ruppertshofen, einem Ortsteil von Ilshofen, eine erste Windkraftanlage der ZEAG Energie AG (Heilbronn) errichtet. Als weitere Windräder geplant wurden, drängte der damalige Bürgermeister Roland Wurmthaler den Investor, die Bürgerinnen und Bürger an dem entstehenden Windpark zu beteiligen. So sollte die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöht werden. Zu diesem Zweck gründete die Stadt 2015 die Bürgerenergie Ilshofen GmbH & Co KG. Aufgrund gesellschaftsrechtlicher Bestimmungen ist die Beteiligung von Interessierten an der KG nicht so einfach möglich. Schnell kam die Idee auf, eine Genossenschaft zu bilden, die sich dann an der KG beteiligt.

Im deutschsprachigen Raum entwickelten sich Mitte des 19. Jahrhunderts nahezu zeitgleich zwei eigenständige genossenschaftliche Initiativen – unabhängig voneinander, aber mit ähnlicher Zielsetzung. Besonders prägend für Deutschland war die Idee der Kreditgenossenschaft. Einer ihrer Wegbereiter war Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Als erste Genossenschaft in seinem Sinne gilt die 1862 gegründete Darlehnskasse in Anhausen im Westerwald.

Zeitgleich mit Raiffeisen engagierte sich auch Hermann Schulze-Delitzsch für soziale Reformen – allerdings mit Fokus auf das städtische Handwerk. Er initiierte 1847 eine Unterstützungsaktion für in wirtschaftliche Not geratene Handwerker. Ausgehend von den Prinzipien der Selbsthilfe, Selbstverantwortung und Selbstverwaltung gründete er zunächst eine „Rohstoffassoziation“ für Tischler und Schuhmacher. Daraus entstand in den Folgejahren eine der ersten gemeinnützigen Kreditgenossenschaften. Heute zählen diese historischen Wurzeln zu den Ursprüngen der Volksbank Delitzsch eG, einer der ältesten Genossenschaftsbanken Sachsens.

Mitte des 19. Jahrhunderts fand auch das genossenschaftliche Prinzip im Einzelhandel seinen Anfang. 1850 gründeten Handwerker und Arbeiter in Eilenburg die „Lebensmittelassociation“ – die erste Konsumgenossenschaft. Ziel war es, Lebensmittel durch gemeinsamen Einkauf günstiger und gerechter zugänglich zu machen. Diese Idee wurde auch in anderen Branchen aufgegriffen.

Schwierigkeiten bei der Gründung

In Ilshofen haben sich 2017 insgesamt 48 Frauen und Männer zusammengetan und mit einem Startkapital von 194.000 uro die BürgerEnergiegenossenschaft Ilshofen eG gegründet. „Die Idee war am Ende fast nicht umsetzbar“, erzählt Roland Samer: Das deutsche Genossenschaftsgesetz sah damals keine reine Beteiligungsgenossenschaft vor, sie muss selbst wirtschaftlich handeln. Ein eigenes Windrad für mehrere Millionen Euro konnte sich die Genossenschaft aber nicht leisten. 2018 wurde eine Lösung gefunden: Die BürgerEnergiegenossenschaft Ilshofen eG investierte in Fotovoltaikanlagen.

Auf den gepachteten Dächern verschiedener städtischer Gebäude wurden bis heute Fotovoltaikmodule mit einer Leistung von 297 Kilowatt Peak installiert: Dazu gehören Kläranlagen, Feuerwehrhäuser, Schulen, Kindergärten und die Stadthalle. Der Strom wird dort verbraucht, wo er erzeugt wird. In der Folge sind seit 2019 auch Beteiligungen an Windkraftanlagen möglich. „Das Problem mit dem Genossenschaftsgesetz ist mittlerweile gelöst“, berichtet Roland Samer. Seit 2025 sind nun auch reine Beteiligungsgesellschaften zulässig.

Im Geschäftsjahr 2023 hatte die Genossenschaft knapp 1,3 Millionen Euro Kapital von 144 Mitgliedern investiert. Davon flossen gut 370.000 Euro in Fotovoltaikanlagen und mehr als 910.000 Euro in Windkraftanlagen. Insgesamt produzierten die Anlagen 2,4 Millionen Kilowatt nachhaltigen Strom – damit können rechnerisch rund 700 Vier-Personen-Haushalte versorgt werden. Weitere Fotovoltaikprojekte sind geplant. „Wann immer wir zusätzliches Geld bekommen, investieren wir in bestehende Windkraftanlagen“, beschreibt der Vorstandsvorsitzende die Vorgehensweise. „Unsere Idee ist eine Win-Win-Situation“, verdeutlicht Vorstand Ulrich Köhler die Strategie. „Die Stadt Ilshofen soll nachhaltig Strom erzeugen, wir übernehmen das für die Kommune.“

Sie wollen ihren Kindern und Enkeln eine gute Zukunft ermöglichen (von links): Ulrich Köhler (Vorstand) und Roland Samer (Vorstandsvorsitzender) sowie zwei weitere Vorstandskollegen teilen sich die Aufgaben.

Rendite steht nicht im Vordergrund

Mitglieder der Genossenschaft können nur Ilshofener Bürgerinnen und Bürger werden, die den Zweck – langfristige Investitionen in Anlagen zur nachhaltigen Stromerzeugung – unterstützen. Auch wenn Gewinne nicht im Vordergrund stehen, strebt die Genossenschaft eine Nettorendite von fünf Prozent über 20 ahre an. „Nur wenn wir diese Rendite in der Prognoserechnung sehen, setzen wir das Projekt um“, bekräftigt Vorstandsvorsitzender Roland Samer. „Meist liegen wir dann im Betrieb deutlich darüber.“ Gemeinsam mit Ulrich Köhler und den weiteren Vorständen Martin Dietrich und Günther Thal steht er für die Genossenschaft – weil sie ihre Idee mit Überzeugung vertreten, natürlich ohne finanzielle Entlohnung. Da sie alle noch anderen Berufen nachgehen, mussten sie sich erst in die Materie einarbeiten, „aber mit der Zeit haben wir Routine bekommen“, versichert Roland Samer, der selbst seit einiger Zeit im Ruhestand ist.

Die Zusammenarbeit mit der VR Bank „ist super“, betont der Vorstandsvorsitzende. „Wir finden bei unseren Ansprechpartnern immer ein offenes Ohr und schnelle Unterstützung.“ 

Genossenschaften vermeiden Kohlendioxid 

In Deutschland gibt es rund 7.000 Genossenschaften mit 22 Millionen Mitgliedern – sie gehören damit zu den mitgliederstärksten Wirtschaftsorganisationen. Darunter sind 951 Energiegenossenschaften mit rund 220.000 Mitgliedern, die einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro erwirtschaften. Sie haben rund 3,6 Milliarden Euro investiert, um acht Terawattstunden umweltfreundlichen Strom zu erzeugen und damit drei Millionen Tonnen Kohlendioxid zu vermeiden.

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